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Es geht jetzt nicht nur um Homeschooling

Daniela Rinderknecht (Bäuerin, Kantonsrätin, Schulpflegerin) ist Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern (3. Klasse und 2. Kindergarten) und gibt einen persönlichen Einblick in ihren aktuellen Alltag.

Freitagnachmittag, es ist der 13. März 2020. Ein Tag, der mir in Erinnerung bleiben wird. Mit den Hüeti-Kinder verfolgen wir die Pressekonferenz des Bundesrates. Fragen wie: «Wer ist der Bundesrat und warum kann der Bundesrat so viel entscheiden?» begleiten die Pressekonferenz. Und dann kommt es: Die Schulen werden bis anfangs April geschlossen. Zwei Kinder jubeln, ein Kind beginnt zu weinen, ein Kind schaut mich geschockt an. Und ich? Tausend Gedanken rattern mir durch den Kopf, Schockstarre. Auch der Gedanke, dass die Schulen eventuell sogar länger zu bleiben könnten, bereitet mir ehrlich gesagt grossen Kummer. Nicht unbedingt wegen des verpassten Schulstoffs sondern wegen den fehlenden Strukturen, den fehlenden sozialen Kontakten, wegen den fehlenden Zwischenmenschlichen Erlebnissen – wegen dem fehlenden normalen Leben.

Bereits am Freitagabend haben wir von der Schule erste Informationen bekommen betreffend der weiteren Organisation des Fernunterrichtes. Als Betriebsleiter eines landwirtschaftlichen Betriebes, können wir uns gut einrichten, dass ich Zuhause bin und mich voll um die Kinder kümmern kann. Im Homeoffice kann ich meine Behördenarbeiten erledigen. Um fixe Strukturen zu schaffen und aus der Schockstarre zu kommen, erstellen wir am Sonntag einen Tagesplan, welcher ab Montag gelten soll. Hausarbeit, Schule, Freizeit, zusammen kochen, basteln. Wir denken uns Ziele aus, die wir bis zu den Frühlingsferien erreichen möchten.

Am Montag hat die Lehrerin dann sämtliches Schulmaterial ihrer 3. Klässer zu jedem Kind nach Hause gebracht. Am Dienstag haben wir vom Kindergarten und am Mittwoch von der 3. Klasse Lern-Unterlagen erhalten. Mit beiden Lehrpersonen sind wir im Austausch per E-Mail oder per Telefon. Die Schulleitungen und die Lehrpersonen haben bisher in dieser kurzen Zeit Grossartiges geleistet. Dafür bin ich dankbar.

Nun ist eine Woche vergangen, wir sind in der zweiten Woche vom Homeschooling angekommen. Wir haben für beide Kinder Wochenpläne mit genauen Angaben erhalten. Zusatzaufgaben für die Fächer Musik, Natur/Mensch und Technik erledigen wir zusammen, vom Eier-Experiment bis zur Yoga-Übung. Mit so strukturieren Plänen der Lehrpersonen gelingt uns das Homeschooling ganz gut. Es brauchte ein wenig Zeit (und Nerven), bis ich mich in alles eingearbeitet habe und den Durchblick hatte und nun auch behalte. Die Kinder akzeptieren, dass wir im Moment einfach Zuhause sind. Wir sind alle sehr traurig, dass wir zu den Grosseltern keinen Kontakt haben können. Wir vermissen sie alle, das ist schwer. Als Familie haben wir aber viel mehr Zeit, das gefällt mir. Da wir einen Bauernhof haben, gibt es immer genug zu tun und wir haben aber auch genügend Platz. So ein Privileg! Das ist uns auch bewusst. Einmal mehr, bin ich dankbar und stolz, Bäuerin zu sein.

Aber wie es der Titel sagt: Es geht jetzt eben nicht nur um das Homeschooling. Mein jüngerer Sohn ist jeden Morgen traurig, weil er seine Freunde im Kindergarten nicht sieht. Er fragt mich, ob er den schon erwachsen sei, wenn Corona vorbei sei oder ob er dann noch lebe? Er macht sich Sorgen um seine Grosseltern und fragt regelmässig, ob es allen gut gehe. Fragen und Gedanken, die mich als Mutter voll ins Herz treffen. Die Kinder in diesem Alter begreifen, dass grundlegend gerade alles anders ist. Aber die Auswirkungen und die Zeit, können sie nicht fassen.

Ich denke in dieser Zeit an all die Kinder, die die Schule als fixen Anker dringend benötigen. Kinder, die es schwierig Zuhause haben. Ich denke an die Kinder, wo die Eltern nicht so viel Zeit haben, um für sie da zu sein und sie zu unterstützen oder solche, die die Schulaufgaben nicht verstehen werden, weil sie die Sprache nicht beherrschen.

Eine wunderbare Geste von der Kindergartenlehrperson an unseren Sohn.

Schulstoff kann aufgeholt werden. Es gibt wichtigeres im aktuellen Leben. Es geht jetzt darum, den Kindern zu zeigen und vorzuleben, dass wir das zusammen schaffen. Alle Menschen miteinander. Dass wir füreinander da sind und uns helfen. Diese Zeit wird uns alle und ich denke vor allem die Kindern, prägen. Es geht darum, unseren Kindern die Sicherheit, Geborgenheit und das Vertrauen zu geben, dass bald wieder Vieles so ist wie früher. Und doch bin ich sicher: Wahrscheinlich nicht alles. Und das ist auch gut so. Ich hoffe, dass wir als Menschen, als Familien, als Schweizerinnen und Schweizer, das eine oder andere mitnehmen.

Jetzt spreche ich nur als Mutter. Als Politikerin ist mir aber klar, dass wir nach dieser Krise einiges zu tun haben und das eine oder andere dringend überdenken müssen. Wie wichtig ist uns unser Gesundheitswesen und die Menschen dahinter, die gerade ausserordentliches leisten? Wie wichtig ist uns unsere produzierende Landwirtschaft und wie hoch soll unser Selbstversorgungsgrad sein?

Kürzlich habe ich in einer Zeitung gelesen:

Die günstigste Landesversorgung ist die eigene Produktion, denn das teuerste Produkt ist jenes, das, wenn man es braucht, nicht zur Verfügung steht.

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